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„Fit for 55“ – Teil 4: Der Vorschlag zum CBAM

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Im Rahmen unserer Blog-Reihe zum Fit-for-55-Paket stellen wir Ihnen heute den Entwurf für den neuen Grenzausgleichsmechanismus CBAM („carbon border adjustment mechanism“) vor.

Neue Grenzabgabe ab 1.1.2026 für Waren und Elektrizität aus Nicht-EU-Staaten

Ab dem 1.1.2026 sollen Importeure bestimmter CO2-intensiver Waren (insbesondere Stahl, Eisen und Aluminium), die in Staaten außerhalb der EU mit geringerem Klimaschutzniveau produziert werden, eine CO2-Grenzabgabe entrichten, wenn sie diese Waren in die EU verbringen. Dazu müssen sie Emissionszertifikate erwerben. Zudem wird auch der Import von Elektrizität aus Drittstaaten umfasst.

Gleichzeitig beabsichtigt die Kommission, die kostenfreien Zuteilungen von Emissionszertifikaten für Anlagenbetreiber unter dem EU-ETS schrittweise abzuschmelzen, soweit diese Waren produzieren, die dem CBAM unterfallen. Im Jahr 2026 würde die kostenlose Zuteilung nur noch 90 % der bisherigen Zuteilung betragen und in den Folgejahren dann jeweils um weitere 10 Prozentpunkte pro Jahr abschmelzen. Ab 2036 gäbe es dann keine kostenfreien Zuteilungen. Der CBAM soll es für diese Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten unattraktiver machen, ihre Produktion ins Nicht-EU-Ausland zu verlagern.

Keine Obergrenze des Zertifikatebudgets und kein Handel

Anders als beim EU-ETS soll es keine absolute Obergrenze des Zertifikatebudgets geben. Der Preis soll an den Emissionshandel gekoppelt werden, aus Vereinfachungsgründen wird an den kalenderwöchentlichen Durchschnitts-Börsenpreis für ETS-Zertifikate angeknüpft. Außerdem sind die CBAM-Zertifikate nicht handelbar, sondern können nur gekauft und der zuständigen (noch zu bestimmenden) Behörde zurückgegeben werden. Grund hierfür ist, dass ansonsten die Kopplung an den Preis des EU-ETS nicht aufrechterhalten werden könnte. Soweit schon in Nicht-EU-Staaten ein CO2-Preis angefallen ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen auf die Erwerbsverpflichtung angerechnet werden.

Einlösung der Zertifikate zum Stichtag 31.5.

Die Menge der importierten Waren, die dafür angefallenen direkten Emissionen  sowie die Menge der für den Import benötigten CBAM-Zertifikate müssen jährlich für das vorangegangene Kalenderjahr von einer autorisierten Person an die noch zu bestimmende nationale Behörde deklariert werden. Der Verordnungsvorschlag sieht detaillierte Anforderungen vor, wie diese Daten zu ermitteln sind. Anhang III enthält beispielsweise umfangreiche Vorgaben für die Berechnung der sogenannten „eingebetteten Emissionen“. Ein hierfür akkreditierter Sachverständiger muss die ermittelte Menge verifizieren. Der administrative Aufwand, der sich daraus ergibt, dürfte nicht gering sein.

Stichtag für die Abgabe der Erklärung ist jeweils der 31.5. Zugleich müssen die erforderlichen CBAM-Zertifikate eingelöst werden. Bei einer Unterdeckung müssen Zertifikate nacherworben werden und es droht eine Pönale. Sollten umgekehrt zu viele Zertifikate erworben worden sein, können diese zum jeweiligen Kaufpreis bei der Behörde zurückgegeben werden. Nicht eingelöste oder zurückgegebene Zertifikate verfallen nach zwei Jahren.

Besonderheiten bei Elektrizität

Bei importierten Strommengen kommt eine andere Bepreisung als bei Waren zur Anwendung (Anlage III, Ziff. 4.2). Hier wird – soweit vorhanden – auf den Durchschnittspreis für CO2 pro MWh in dem Drittstaat abgestellt. Sofern sich dieser nicht ermitteln lässt, wird hilfsweise auf den entsprechenden Wert in der EU abgestellt. Tatsächlich geringere Emissionen (z.B. bei Erneuerbaren) kann der Importeur aber im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen nachweisen.

Besonderheiten gelten für Drittstaaten, deren Strommarkt im Wege der Marktkopplung bereits an den der European Energy Community gekoppelt ist, eine Erfassung der Strommengen unter dem CBAM aber aus technischen Gründen (noch) nicht möglich ist: Diese Staaten sollen bis 2030 vom CBAM ausgenommen werden können, wenn sie sich verpflichten, eine eigene CO2-Bepreisung einzuführen und sich zur Klimaneutralität 2050 bekennen. Technische Lösungen sollen bis 2030 erarbeitet werden. Einzelheiten hierzu sind noch offen.

„Kostenfreier“ Probelauf bis 2025

Ein „Probelauf“ des Systems findet nach dem Vorschlag bereits ab dem 1.1.2023 statt. In dieser Einführungsphase bis zum 31.12.2025 bestehen nur quartalsweise Reporting-Pflichten, aber noch keine Pflichten zum Erwerb von Zertifikaten.

Noch viel Diskussionsbedarf

Sollte der Vorschlag der Kommission umgesetzt werden, müssten sich energieintensive Unternehmen darauf einstellen, dass ab 2026 die freien Zuteilungen von Emissionszertifikaten in den CBAM-Sektoren schrittweise bis 2036 entfallen. Denn nach der Vorstellung der Europäischen Kommission bräuchten diese keinen Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen mehr, wenn der CBAM funktioniert wie beabsichtigt und sich die aus Drittstaaten importierten Produkte in dem Maße verteuern, wie diese nicht im gleichen Maße mit CO2-Kosten beaufschlagt wurden, wie dies in Europa geschieht.

China beispielsweise hat als weltgrößter CO2-Emittent zwar im Juli sein eigenes Emissionshandelssystem gestartet, allerdings liegen die Preise dort weit unter dem EU-ETS. Ob es aber tatsächlich gelingt, damit die gewünschte Wettbewerbsgleichheit herzustellen, wird ganz maßgeblich davon abhängen, dass sich die vorgesehene Berichterstattung über die CO2-Intensität der eingeführten Waren und die schon im Ursprungsland angefallenen CO2-Kosten als praxistauglich erweist. Insbesondere eine restriktive Handhabung der Anrechenbarkeit könnte Handelskonflikte mit den Drittstaaten heraufbeschwören, die den CBAM als einen unzulässigen Eingriff in den freien Welthandel sehen. Umgekehrt dürfte es schwierig werden, ein „Greenwashing“ zuverlässig zu verhindern. Nochmals komplizierter wird es, wenn andere Staaten – wie es beispielsweise die USA planen – einen eigenen CBAM einführen. Und schließlich bleibt mit dem vorgelegten Vorschlag ein Problem ungelöst, das den Unternehmen auf den Nägeln brennt, die ihrerseits in Drittstaaten exportieren wollen. Für diese ist kein Ausgleich für die Mehrkosten vorgesehen, die sie im Vergleich zu den Herstellern in den Zielländern haben. Stattdessen wird ihnen auch noch die kostenlose Zuteilung abgeschmolzen.

Es gibt zum CBAM also noch viel Diskussionsbedarf, aber auch die Möglichkeit, sich zu dem Entwurf zu äußern. Bürger*innen und die betroffenen Unternehmen können auf der Homepage der Kommission bis zum 21.9.2021 ihre Stellungnahme zu dem Entwurf abgeben, bevor Parlament und Rat abschließend darüber entscheiden. Machen Sie davon Gebrauch!

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Dr. Alexander Dietzel


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